Seniorenstudium

Seniorenstudium -
Jungbrunnen für die grauen Zellen

Zum Lernen ist der Mensch nie zu alt, zum Studieren folglich auch nicht.

Semester für Semester bevölkern Zehntausende Senioren die Hörsäle deutscher Universitäten. Sie bilden sich in Sprachen, mittelalterlicher Geschichte oder einem der anderen unzähligen Studienfächer, die die deutschen Hochschulen anbieten. Dabei erwerben sie nicht nur Wissen und trainieren ihre geistige Fitness, sie knüpfen auch Kontakte zu gleichgesinnten Altersgenossen oder tauschen sich mit jungen Kommilitonen aus. Woche für Woche machen sie interessante Erfahrungen und manchmal entdecken sie sogar neue Welten - etwa als Erasmus-Student im europäischen Ausland.

Eva Fitz ist 70 Jahre alt. Als die promovierte Kunsthistorikerin sich im Jahr 2009 aus ihrem Job bei der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in den Ruhestand verabschiedete, schrieb sie sich kurze Zeit später an der Universität ein. Italienisch und Katalanisch waren ihre Fächer, später wählte sie noch Französisch hinzu. Jahrzehnte nach dem Erststudium an die Uni zurückkehren, Sprachen lernen, sich mit der Literatur und Geschichte der jeweiligen Länder beschäftigen: Eva Fitz fand ihr Zweitstudium als Seniorin "einfach toll. Es war eine superschöne Zeit."

Wie Eva Fitz geht es vielen älteren Menschen. Sie schreiben sich zum ersten oder auch zum zweiten Mal an einer Universität oder Hochschule ein. "Zurzeit studieren etwas mehr als 50.000 Menschen im Alter von 50 oder mehr Jahren an deutschen Universitäten", sagt Bernd Werner Schmitt vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS). Experten haben in den vergangenen Jahren sogar ein zunehmendes Interesse der Älteren am akademischen Lernen beobachtet. An vielen Hochschuleinrichtungen gibt es inzwischen spezielle Angebote für Ältere, in Frankfurt am Main mit der "Universität des 3. Lebensalters" gar eine eigene Institution für Seniorstudierende.

Viele Facetten des Seniorenstudiums

Das Angebot an Studienmöglichkeiten ist beachtlich, entsprechend groß ist auch die Qual der Wahl. Das gilt nicht nur inhaltlich, also hinsichtlich der Entscheidung für das Studienfach, sondern auch formal: Soll es ein Vollstudium sein - mit allen Konsequenzen? Hier winkt zwar ein akademischer Abschluss, aber entsprechend hoch ist auch der organisatorische, zeitliche und finanzielle Aufwand. Die Alternative: "Wer nicht über das Abitur verfügt oder ganz einfach frei und aus purem Interesse studieren möchte, kann sich als Gasthörer einschreiben", so AVDS-Experte Bernd Werner Schmitt. Der Vorteil: Es sind keine Prüfungen zu bewältigen, die Studiengebühren fallen deutlich niedriger aus (ihre Höhe berechnet sich in der Regel nach dem Umfang der belegten Veranstaltungen).

Eine dritte Form des universitären Lernens ist das Seniorenstudium im eigentlichen Sinn. Es wird laut AVDS an etwa einem Drittel der deutschen Unis angeboten, ähnelt dem Gasthörerstudium, bietet im Vergleich zu diesem aber mehr Orientierung und oft ein auf Ältere zugeschnittenes Begleitprogramm. Eine Sonderform ist das Zertifikatsstudium, das zehn deutsche Universitäten anbieten. Es ist strukturierter und verlangt bestimmte Leistungen, dafür können die Studenten aber auch ein Abschlusszertifikat erwerben.

Licht ins Studiendickicht bringen

Bei so vielen und unterschiedlichen Angeboten empfiehlt sich eine sorgfältige Planung des eigenen Studiums. Eine gute erste Orientierung bietet der "Studienführer für Menschen in der 2. Lebenshälfte" des AVDS. Er geht nicht nur auf die verschiedenen Studientypen für Senioren ein, sondern informiert auch über Fächer, die unter älteren Studierenden besonders nachgefragt sind. Ein Hochschulverzeichnis gibt Einblick in das Angebot der einzelnen Bildungseinrichtungen und in die Konditionen, zu denen diese besucht werden können. Telefonnummern und Adressen erleichtern die Kontaktaufnahmen zur jeweiligen Studienberatung, die auf die persönliche Situation zugeschnittene Auskünfte erteilen kann. Diese Informationen sind übrigens auch auf der Website des AVDS zu finden. (Link am Ende des Artikels!)

An Universitäten, an denen sich Mitglieder des Deutschen Netzwerks der Interessenvertretungen von Seniorstudierenden (DENISS) engagieren, erhalten Ratsuchende übrigens Informationen von Älteren, die selbst schon ein paar Semester dort verbracht haben. Sie wissen also aus eigener Erfahrung, was wichtig, worauf zu achten ist. Nicht selten organisieren sie zu Beginn eines Semesters Einführungsveranstaltungen für Neueinsteiger.

Viele Gründe für ein Seniorenstudium

Es gibt viele Gründe und Motive, sich mit 50, 60 oder mehr Jahren (noch) einmal in den Hörsaal zu setzen. Wichtig ist, für sich selbst herauszufinden, was zählt und was eher nicht. Für Dr. Eva Fitz war klar, dass es kein Abschluss sein sollte. "Ich wollte weder einen Bachelor noch einen Master machen", sagt sie, "mir ging es um die Sprachen, um Literatur und Landesgeschichte." Und so frischte die Kunsthistorikerin die Italienischkenntnisse aus ihrem Erststu­dium auf und lernte mit Katalanisch die Sprache, die ihre in Barcelona wohnende Tochter und die beiden Enkel sprechen.

Das Anknüpfen an frühere Bezugspunkte scheint auch für andere eine große Rolle zu spielen. Silvia Dabo-Cruz von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG WiWA), benennt die Motive vieler Seniorstudierender: "Etwas aufgreifen zu können, was im Laufe des Lebens einmal abgebrochen werden musste, Themen, denen man sich im Beruflichen nicht widmen konnte, jetzt noch einmal vertieft angehen." Dass sich mit einem Seniorenstudium auch etwas für die eigene Disziplin, für die geistige Fitness tun lässt, dürfte für viele mehr als ein willkommener Nebeneffekt sein.

Miteinander der Generationen

Wie fühlt es sich an, als Älterer mit 20-Jährigen im Hörsaal zu sitzen? Gibt es Streit um knappe Sitzgelegenheiten, um begehrte Seminarplätze? Zumindest an der Uni Bielefeld scheint Harmonie zu herrschen. Dr. Ursula Bade-Becker, Mitglied im Team der Kontaktstelle Wissenschaftliche Weiterbildung (KWW) und zuständig für das Programm "Studieren ab 50", kann dort keinen Generationenkonflikt erkennen. Ganz im Gegenteil: "Die Studenten der unterschiedlichen Generationen arbeiten und studieren hier nebeneinander, aber vor allem miteinander", sagt Bade-Becker. "Die 50plus-Studenten sind voll integriert und viele blühen hier richtig auf." Angst, einen jungen Menschen um seine Chance zu bringen, hatte zunächst auch Seniorstudentin Eva Fitz. Deshalb wollte sie ihren Auslandsaufenthalt in Italien auch privat organisieren. Erst als die Humboldt-Universität in Berlin ihr mit Nachdruck nahelegte, ein Stipendium in Anspruch zu nehmen, gab sie nach - und ging als älteste Erasmus-Studentin ihrer Hochschule für zwei Semester an die Universität "L’orientale" in Neapel.

Quelle: EiZ-Newsletter, 4. Februar 2015 - http://www.erfahrung-ist-zukunft.de/

Internet-Links:
hinzugefügt und kommentiert von Hans D. Drechsler

http://www.avds.de/
Akademischer Verband der Senioren in Deutschland
Neben eigenem Studienführer und zahlreichen Hinweisen auf die Besonderheiten eines Seniorenstudiums kann von der Website aus unmittelbar auf die aktuellen Angebote der Universitäten und Akademien zugegriffen werden, einschließlich Fächerbeschreibung, Kosten / Gebühren. Enthält auch Hinweise zum Fernstudium und zu Studienmöglichkeiten in Österreich und der Schweiz..

https://dgwf.net/arbeitsgemeinschaften/bag-wiwa/ueber-die-arbeitsgemeinschaft/
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG WiWA) in der DGWF ist der Zusammenschluss der für die wissenschaftliche Weiterbildung älterer Erwachsener verantwortlichen Institutionen wie Hochschulen und mit ihnen kooperierender Einrichtungen, z.B. "Universitäten des dritten Lebensalters", "Seniorenakademien" oder andere Anbieter eines Seniorenstudiums.

http://www.deniss.de/index.htm
Deutsches Netzwerk zur Interessenvertretung von Senior-Studierenden;
kleinerer gemeinnütziger Verein zur Förderung des Seniorenstudiums; starke Präsenz der Uni Münster (für Osnabrücker wegen der räumlichen Nähe evtl. von Interesse)

http://www.zeitakademie.de/
aus dem Verlagshaus der Wochenzeitung DIE ZEIT; bietet zahlreiche Seminare (DVD, Online etc.) mit renommierten Professorinnen und Professoren zu geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, zum Thema Ernährung und zu diversen Fremdsprachen an, die bequem zu Hause erarbeitet werden können (zeit- und ortsunanhängig, aber vielleicht zusammen mit dem Partner oder Freunden, damit das soziale Element beim Lernen nicht zu kurz kommt?).